Helvetia
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- Kategorie: Angespielt
- Veröffentlicht: Sonntag, 18. Dezember 2011 11:20
- Geschrieben von Petra
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Jedes Mal, wenn ich auf das Cover von Helvetia aus dem Kosmos Verlag blicke, erinnere ich mich an dessen Präsentation auf der Spiel 2011 in Essen, mit dem Autor Matthias Cramer in einer Schweizer Tracht. Helvetia ist nämlich die lateinische Bezeichnung der Schweiz.
Man nehme die Schweizer Landesfahne, ein weißes Kreuz auf rotem Grund, und fülle das Kreuz mit dem Matterhorn, so könnte man das Cover von Helvetia wohl treffend beschreiben. Auch Spieltitel und Autor werden dort genannt, der Untertitel Dörfer Bauen - Paare Trauen lässt viel Raum für eine eigene Interpretation.
Im Text auf der Rückseite Doch das Leben besteht nicht nur aus Arbeit, ihre Dorfbäckerin sehnt sich nach einem Partner und der Bauerssohn hat ein Auge auf die fesche Holzfällerin im Nachbardorf geworfen. wird diese in bestimmte Bahnen gelenkt, zudem der weitere Text detaillierter auf das Spielgeschehen eingeht. Einen ersten Blick auf das Spielmaterial gibt es außerdem. Eine Angabe des Inhalts findet sich ebenso wie die typische Kosmos Info-Box, die einem sagt, dass bei Helvetia Planer eher gefragt sind als Glückspilze und dass das Spiel sowohl für Schweizer als auch für Nicht-Schweizer geeignet ist. Auch die technischen Daten (2-4 Spieler, ab 12 Jahren, ca. 60-90 Minuten) haben dort ihren Platz.
Material und Spielregel
In der Schachtel ist einiges an Spielmaterial. Dabei handelt es sich entweder um stabilen Karton oder um Holz. Aus ersterem Material sind neben dem Spielplan 5 rechteckige Plättchen "Dorfmitte", 54 Gebäudeplättchen, 10 Güterplättchen, 5 Personenplättchen, 6 Sonderplättchen und das Startspielerplättchen. Aus Holz dagegen sind in den Spielfarben Rot, Gelb, Weiß und Blau 24 Münzen, jeweils 6 pro Spieler und 68 Liefersteine, jeweils 17 pro Spieler, enthalten. In den gleichen Farben und aus dem gleichen Material sind 64 Dorfbewohner, jeweils 8 männliche und 8 weibliche, die vor dem ersten Spiel alle "mit einem Kind" beklebt werden müssen.
Die Spielanleitung umfasst 8 farbige DIN A4 Seiten. Eine Struktur konnte ich allerdings anhand der Textformatierung nicht erkennen. Die für das Spiel nötigen Informationen Spielmaterial, Vor dem Spiel, Das Spiel mit Spielziel, Spielablauf und Spielende sind aber in vernünftiger Reihenfolge enthalten. Ebenso gibt es einen Anhang, der sich mit den Gebäuden befasst, einen Abschnitt über die Dorfbewohner und Regeln für Das Spiel für 2 Spieler, auf die rechtzeitig hingewiesen wird. Zahlreiche Bilder erläutern ebenso wie die Beispiele die Regeln.
Spielziel
Bei Helvetia geht es um das Sammeln von Siegpunkten. Diese erhält man dauerhaft, wenn man als Händler am Markt vertreten ist, wenn man als Erster ein bestimmtes Gut oder eine Kombination davon an den Markt geliefert hat und über Siegpunktgebäude. Zeitlich begrenzte Siegpunkte dagegen bringen der Besitz von Startspielerplättchen und Personenplättchen.
Spielvorbereitung
Zunächst wird der Spielplan auf den Tisch gelegt und mit den Güterplättchen sowie, in fortgeschrittenen Runden, den Persönlichkeiten bestückt. Die Sonderplättchen kommen neben den Spielplan. Auch die Gebäudeplättchen mit den Rückennummern werden bereitgelegt; bei denen mit der Rückennummer 1 ist jede Gebäudeart sichtbar, die übrigen werden verdeckt gestapelt. Die Gebäudeplättchen mit den Buchstaben werden ebenso unter den Spielern verteilt wie die "Dorfmitten", bei der ersten Partie empfiehlt sich eine Orientierung an den "Rückenbuchstaben", fortgeschrittene Spieler wählen selbst aus. Jeder Spieler beginnt mit einer Dorfmitte und 3 Gebäuden.
Außerdem erhält jeder Spieler Dorfbewohner, Münzen und Liefersteine in seiner Spielfarbe. Ein Lieferstein jedes Spielers kommt auf das Feld Null der Siegpunktleiste. Jeder Spieler gibt seinem rechten und linken Nachbarn jeweils eine Scheibe, die diese in der Dorfmitte platzieren. Auch drei Paare der Dorfbewohner werden nun verteilt: Ein Paar auf 2 beliebige eigene Gebäude, ein Paar auf das letzte eigene Gebäude und die Schule, vom letzten Paar wird eine Bewohner in das Dorf des linken Nachbarn verheiratet, der Verbliebene kommt in die eigene Dorfmitte.
Spielablauf
Neben den Gebäuden, die direkt ein Produkt liefern, gibt es bei Helvetia auch Tauschgebäude und Siegpunktgebäude. Nur letztere werden ohne Dorfbewohner genutzt, bei den übrigen ist für die Nutzung ein stehender, wacher Bewohner nötig. Sobald das Gebäude genutzt wurde, ist der Bewohner erschöpft und legt sich schlafen. Auf den Gebäudeplättchen sind sowohl die Kosten angegeben als auch das Produkt, das diese liefern. Bei einigen sind zudem "Vorprodukte" nötig.
Der Reihe nach, und bei Helvetia heißt das gegen den Uhrzeigersinn, setzen die Spieler nun ihre Münzen auf die Persönlichkeiten und nutzen direkt deren Aktionen, bis nur noch ein Spieler Münzen übrig hat. Dieser wird Startspieler der nächsten Runde. Es darf immer nur eine Persönlichkeit gewählt werden, die Anzahl der Münzen, sie bestimmt die Anzahl der Aktionen, dagegen ist frei wählbar.
Hat man den Baumeister gewählt, so nimmt man ein Gebäude aus der offenen Auslage, bezahlt dessen Kosten und legt es an seinem Dorf an. Befindet sich ein Dorfbewohner in der Dorfmitte, so zieht dieser sofort in das neue Gebäude.
Beim Fuhrmann dagegen werden Waren an den Markt gelegt. Pro Münze wird ein Lieferstein gelegt, je nach Produkt müssen hierzu mehrere Dorfbewohner schöpft werden. Die jeweils ersten Lieferanten erhalten die zugehörigen Güterplättchen. Wurden zudem die Bedingungen eines Sonderplättchens erfüllt, so gibt es auch dieses.
Der Nachtwächter weckt für jede Münze ein Dorfviertel auf, dies kann sowohl beim Spieler selbst als auch bei den Mitspielern sein.
Hat man den Pfarrer gewählt, so wird in ein Gebäude eines anderen Dorfs, in dem sich ein Dorfbewohner des anderen Geschlechts befindet, eingeheiratet. Es spielt keine Rolle, ob dieser wach ist oder schläft. Der eigene Dorfbewohner kommt entweder aus der Dorfmitte oder direkt aus der Schule. Wenn noch Münzen in der Dorfmitte vorhanden sind, darf der Spieler sich jetzt eine nehmen.
Die Hebamme hilft dem eigenen Nachwuchs auf die Welt, und auch nur Paaren im eigenen Dorf. Der Nachwuchs wird gekippt zu einem Paar gestellt. Auch hier spielt es keine Rolle, ob diese wach sind oder nicht.
Wie weiter oben schon gesagt endet die Runde, sobald nur noch ein Spieler Münzen übrig hat. Nun werden zunächst die Personenplättchen an die Spieler mit der Mehrheit an Münzen verteilt. Anschließend nimmt jeder seine Münzen von den Persönlichkeiten wieder an sich. Die Dorfbewohner verlassen die Schule, ziehen in unbewohnte Gebäude ein sofern es diese gibt oder warten ansonsten in der Dorfmitte, die Kinder kommen in die Schule. Danach werden die Siegpunkte angepasst. Jetzt zählen die Liefersteine auf dem Markt, die gesammelten Plättchen sowie die Siegpunktgebäude im eigenen Besitz. Eine neue Runde beginnt, sofern kein Spieler 20 oder mehr Siegpunkte hat. Wurde dagegen mehr als 20 Siegpunkte erreicht, so gewinnt der Spieler mit den meisten Siegpunkten.
Fazit
Früher dachte ich ja, dass man sofort losspielen kann, wenn man eine Spielschachtel geöffnet hat und die Regeln kennt. Dass das nicht so ist, habe ich mittlerweile gelernt, und "auspöppeln", also die Teile aus dem Stanzbogen entfernen, mache ich auch gerne. Vor anderen Tätigkeiten, wie etwa dem Bekleben von Teilen, mache ich üblicherweise einen großen Bogen. Bei Helvetia ist das allerdings 64mal nötig, jede Spielfigur wird mit einem "Nachwuchsaufkleber" versehen. Gut dass mir dabei niemand zugesehen und zugehört hat. Und der eine und andere ist trotzdem schief und das ärgert mich. Gut, man hätte die Figuren auch anders kennzeichnen können, aber schöner wären alle Möglichkeiten, die mir so einfallen, nicht. Helvetia gehört übrigens zu den Spielen, bei denen der Tiefzieheinsatz in der Schachtel auch wirklich zum Verstauen des Spielmaterials genutzt werden kann.
Bis auf einen angefressenen roten Holzwürfel ist das Material durchweg in Ordnung. Die Spielanleitung ist nicht ganz fehlerfrei, so sind bei der Erläuterung der Tauschgebäude auf Seite 7 zwar sowohl Marktplatz als auch Spezerei erklärt, abgebildet ist aber immer der Marktplatz.
Die Schrift der Spielanleitung ist gut lesbar, auch hat die Spielanleitung alle Fragen, die sich mir gestellt haben, beantwortet. Aber trotzdem. So wirklich gefällt mir die Anleitung nicht.
Männlein und Weiblein unterscheiden sich bei Helvetia durch die Größe und die Form der Spielfigur. Männer haben einen Hut, Frauen dagegen eine Hochsteckfrisur, zumindest ist das meine Interpretation. Bei Helvetia ist das Einheiraten in ein anderes Dorf ein Teil des Spiels, daher ist es auch wichtig, das Geschlecht der Singles zu erkennen. Bei aktiven Figuren geht das meist problemlos, sind die Figuren allerdings erschöpft, so ist eine Nachfrage nötig und der eigene Plan wird so ersichtlicher für die Mitspieler.
Eine weitere Schwierigkeit hat ihre Ursache in der Größe der Gebäudeplättchen und der Spielfiguren. Eigentlich passen zwei Spielfiguren sowohl stehend als auch liegend problemlos auf die Plättchen. Nach kurzer Zeit hat man sich auch daran gewöhnt, mit den Figuren nicht gerade das Produkt zu verdecken. Trotzdem ist dieses, gerade bei Gebäuden mit Zulieferung, von der anderen Tischseite nicht immer gut zu erkennen, und bei Tauschgebäuden fast unmöglich.
Für den Neuling ist Helvetia nicht ganz einfach. Sicher sind die Regeln schnell begriffen, aber die zahlreichen Möglichkeiten, die das Spiel bietet, zu verinnerlichen dauert länger. Dazu gehören die Produktionswege, beispielsweise benötigt man für die Produktion von Ziegenkäse natürlich eine Ziege, diese wiederum gibt nur Milch, wenn sie auch genügend Wasser zum Trinken hat, aber auch die Tatsache, dass für jedes Produkt ein Dorfbewohner erschöpft werden muss. Eine weitere Herausforderung ist die richtige Reihenfolge der eigenen Aktionen. Erst wenn man Nachwuchs hat der die Schule besucht, kann man diesen in andere Dörfer verheiraten und dort Gebäude nutzen, oder eigene neue Gebäude besetzen. Da die Dorfbewohner nach einmaliger Nutzung der Gebäudefunktion erschöpft sind und schlafen, müssen diese natürlich regelmäßig wieder geweckt werden. Soll man nun darauf hoffen, dass ein Mitspieler dies erledigt oder selbst aktiv werden?
Bei Helvetia sind unterschiedliche Strategien möglich. So kann man das eigene Dorf vergrößern oder in die anderen Dörfer einheiraten, um an ein spezielles Produkt zu kommen. Wichtig ist aber immer, dass man seine Mitspieler und deren Aktionen beobachtet.
Für das Spiel zu zweit gibt es Sonderregeln. Durch die Einführung eines dritten, neutralen Dorfes ist es für jeden Spieler möglich, statt einer eigenen Aktion dort die Aktion Pfarrer oder Baumeister zu nutzen, sofern eine dort ausliegende Münze noch eingesetzt werden kann. Auch diese Variante spielt sich flüssig und macht Spaß, ist aber, wie meist bei Regelanpassungen, anders.
Spiel: Helvetia
Autor: Matthias Cramer
Grafik: Imelda Vohwinkel
Illustration & Spielfigurendesign: Franz Vohwinkel
Verlag: Kosmos Verlag
Anzahl: 2-4 Spieler
Alter: ab 12 Jahre
Dauer: ca. 60-90 Minuten
Jahr: 2011
Preis:ca. 28,00 Euro (Stand 18.12.2011)