Strasbourg
- Details
- Kategorie: Angespielt
- Veröffentlicht: Sonntag, 10. Juli 2011 10:05
- Geschrieben von Petra
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Das Cover von Strasbourg (Pegasus Spiele) hätte auch durchaus auf einem Märchenbuch sein können. Weniger wegen der Fachwerkhäuser im Hintergrund, die schon allein einen zweiten Blick wert sind, sondern wegen der zwei prachtvoll gekleideten Gestalten, die den Vordergrund zieren. In unserer Zeit ist diese Kleidung höchstens noch auf Mittelaltermärkten, im Theater oder Veranstaltungen wie der Spiel oder der RPC zu finden, wenn überhaupt. In wieweit diese Kleidung so wirklich existierte, kann ich nicht sagen, aber interessiert hier wohl auch nicht wirklich jemanden. Die Fachwerkhäuser, oder zumindest ähnliche, sind auch heute noch in Straßburg zu sehen.
Das Spiel Strasbourg hat es bis auf die Nominierungsliste zum Kennerspiel des Jahres 2011 geschafft.
Straßburg, 15. Jahrhundert: Die politischen Geschicke der Stadt werden stark beeinflusst von den Handwerkszünften, die zeitweilig die Mehrheit des Rates stellen. So beginnt der Text auf der Rückseite der Spielschachtel. Während der folgende Text einen ersten Einblick auf das Spielgeschehen gibt, bietet das Bild darunter einen ersten Blick auf das Spielmaterial. Angaben über den Inhalt sind ebenso auf der Schachtelrückseite zu finden wie die technischen Daten (3-5 Spieler, ab 12 Jahren, ca. 60-90 Minuten). Die Beschreibungen sind sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache vorhanden.
Material und Spielregel
In der Schachtel befindet sich einiges an Spielmaterial. Ein Spielplan aus stabilem Karton, der im oberen Teil, eingebettet in eine Fachwerk-Stadtskizze, ein Feld mit mehreren Wappen aufweist, darunter dann auf der linken Seite die Ablagebfelder für die Rundentafeln und auf der rechten Seite ein Stadtfeld. Die umlaufende Zählleiste kann fast als Rahmen angesehen werden.
Ebenfalls aus stabilem Karton sind die 5 Rundentafeln, die 5 Bauwerke, die 30 Warenplättchen (je 6 in den 5 Zunftfarben), die 10 Privilegien und die 40 Münzen (15x Wert 1, 15x Wert 2, 10x Wert 5). Die 5 Sichtschirme sind aus dünnerem Material. Aus Holz dagegen sind die Rundenfigur, die Startspielerfigur, die 5 Kapellen, die 75 Familienmitglieder (je 15 in den Spielerfarben Blau, Gelb, Grün, Orange und Schwarz) sowie die 5 Prestigemarker in den Spielerfarben. Die Spielkarten liegen im kleinen Kartenformat (ca. 44 mm x 68 mm) vor, haben eine vernünftig Stärke und eine leicht angeraute Oberfläche. Hierzu gehören 5 Übersichtskarten, 25 Aufgabenkarten sowie 120 Einflusskarten, jeweils 24 mit Werten von 1-6 in den einzelnen Spielerfarben.
Natürlich fehlt auch eine Spielanleitung nicht, eine Übersicht aller Aufgabenkarten gibt es ebenfalls. Beides gibt es sowohl in englischer als auch in deutscher Sprache. Die 8-seitige Spielregel ist verständlich geschrieben und gut strukturiert. Sie enthält die Punkte Spielidee, Spielmaterial, Der Rat, Spielvorbereitung, Spielablauf und Spielende. Zahlreiche Graphiken und farblich hervorgehobene Beispiele und Hinweise erläutern zusätzlich das Geschriebene.
Spielziel
Prestigepunkte sammeln ist die Aufgabe, denn nur wer am Schluss die meisten Prestigepunkte hat, gewinnt das Spiel. Prestigepunkte gibt es in jeder Runde für die Anzahl der eigenen Familienmitglieder im Rat. Neben den erfüllten Auftragskarten bringen die Privilegien ebenso Prestigepunkte in der Schlusswertung wie die eigenen platzierten Familienmitglieder im Stadtgebiet. Stehen diese auch noch richtig zu Kapellen oder Bauwerken, so gibt es zusätzliche Punkte.
Spielvorbereitung
Zunächst wird der Spielplan auf den Tisch gelegt. Im Anschluss daran werden die 5 Rundentafeln in zufälliger Reihenfolge auf die entsprechenden Felder des Spielplans gelegt und mit ebenfalls zufällig gezogenen Bauwerken offen bestückt. Die Rundenfigur kommt auf Feld A der linken Rundentafel. Nun bekommt jeder Spieler 15 Familienmitglieder und 24 Einflusskarten seiner Spielfarbe, eine Übersichtskarte, einen Sichtschirm sowie Münzen im Wert von 5, die hinter dem Sichtschirm abgelegt werden. Die jeweiligen Prestigemarker kommen auf das Startfeld der Prestigeleiste. Die übrigen Münzen, alle Waren, Privilegien und Kapellen werden als allgemeiner Vorrat bereitgelegt.
Nun wird noch der Startspieler bestimmt. Dieser erhält die Startspielerfigur und platziert ein Familienmitglied auf dem Adelsfeld des Rats. Auf das Kirchenfeld stellt der Spieler zur Linken eine Figur. Jeder Spieler erhält nun noch 5 zufällig gezogene Aufgabenkarten. Eine davon muss behalten werden, weitere Karten können behalten werden. Erfüllte Aufgaben bringen am Ende Prestigepunkte, unerfüllte dagegen Minuspunkte.
Spielablauf
Gespielt wird über 5 Runden; jede Runde besteht aus einer Planungsphase, einer Aktionsphase und einer Ratsphase.
In der Planungsphase ziehen die Spieler zunächst so viele Einflusskarten vom eigenen Nachziehstapel, wie sie in dieser Runde einsetzen möchten. Dabei sollten sie beachten, dass dieser Stapel für alle 5 Runden reichen muss. Aus diesen Karten bestimmen sie nun die Anzahl und die Höhe ihrer Gebote, indem sie aus den gezogenen Karten eigene kleine verdeckte Stapel bilden. Jeder Spieler darf sich die eigenen Karten jederzeit wieder ansehen.
Die darauf folgende Aktionsphase besteht aus 9 Schritten, wobei der Ablauf der ersten 7 Schritte weitgehend identisch ist. Beginnend mit dem Startspieler deckt jeder Spieler einen seiner Einflussstapel auf oder passt. Spieler, die gepasst haben, gehen in diesem Schritt leer aus und haben auch keine Aktionen. Unter den übrigen Spieler wird nun die Rangfolge durch die Summe der Einflusspunkte gebildet. Der Spieler auf dem 1. Platz wird zum neuen Startspieler. Hat ein Spieler zwar geboten, geht dann aber leer aus, so darf dieser eine Einflusskarte unter den Nachziehstapel schieben.
Je nach Schritt kommt es zu unterschiedlichen Aktionen. Wenn alle Aktionen abgehandelt sind, wird die Rundenfigur einen Schritt weiter gezogen.
Bei Schritt A werden Adel und Kirche beeinflusst, d.h der Spieler auf Platz 1 stellt ein Familienmitglied auf das Adelsfeld des Rates und der Spieler auf dem 2. Platz platziert ein Familienmitglied auf das dortige Kirchenfeld. Allgemein gilt bei der Besetzung des Rates, dass bereits vorhanden Figuren verdrängt werden, sollte ein anderer Spieler diese Position einnehmen.
Wird dagegen in den Schritten B, D oder E eine Zunft beeinflusst, so werden die drei Erstplatzierten als Meister, Geselle bzw. Lehrling tätig. Es sei denn man spielt zu dritt, denn dann entfällt der Geselle. Als Meister darf nun ein Familienmitglied auf das Ratsfeld der entsprechenden Zunft gestellt werden, eine entsprechende Ware aus dem Vorrat genommen werden und ein Familienmitglied auf ein freies Feld der entsprechenden Zunft im Stadtgebiet platziert werden, sofern man die Kosten dafür bezahlen kann. Als Geselle darf eine Ware genommen werden und ein Familienmitglied unter den gleichen Bedingungen wie zuvor auch im Stadtgebiet platziert werden. Als Lehrling muss man sich zwischen diesen beiden Aktionen entscheiden.
In den Schritten C, D, und G werden Kaufleute beeinflusst. Hier darf nur der jeweilige Sieger aktiv werden und so viele Waren an die Kaufleute verkaufen wie er möchte. In Schritt G wird zusätzlich das Ratsfeld der Kaufleute besetzt.
In den beiden nächsten Schritten werden die Aktionen ausgeführt, deren Grundstein bereits in Schritt A gelegt wurde. Der Inhaber des Kirchenfeldes setzt eine Kapelle aus dem Vorrat auf ein freies, rundes Feld seiner Wahl im Stadtgebiet (Schritt H). Analog dazu platziert der Inhaber des Adelsfelds das Bauwerk dieser Runde auf ein freies Baufeld seiner Wahl (Schritt I).
Die Ratsphase ist die abschließende Phase einer Runde. Jeder Spieler erhält nun so viele Prestigepunkte, wie er Familienmitglieder im Rat hat. Zusätzlich erhält der Spieler mit den meisten Ratsmitgliedern ein Privileg. Privilegien können genutzt werden um in einer Bietphase das eigene Gebot zu einem späteren Zeitpunkt abzugeben.
Nach der 5. Runde endet das Spiel und es wird gewertet. Für jedes eigene Familienmitglied im Stadtgebiet gibt es einen Prestigepunkt. Zusätzliche Punkte gibt es für direkt angrenzende Kapellen oder Bauwerke. Auch bisher nicht verwendete Privilegien bringen weitere Prestigepunkte ein. Ebenso gibt es Punkte für erfüllte Aufgabenkarten. Nicht erfüllte Aufgabenkarten kosten dagegen jeweils drei Punkte.
Fazit
Gegen das Spielmaterial von Strasbourg lässt sich nicht viel sagen. Es ist sehr ansprechend gestaltet, überall gibt es Fachwerkskizzen und auch die Qualität ist gut. Da der Sichtschirm keine Informationen enthält, muss sich auch niemand verrenken, um Texte dort zu lesen. Etwas größer könnte er allerdings trotzdem sein, ein Sortieren von Waren, Geld und Privilegien dahinter ist nicht wirklich möglich. Die Spielregel ist verständlich geschrieben, auch die Übersicht aller Aufgabenkarten finde ich gut. Die meisten Aufgabenkarten waren für mich zwar selbsterklärend, aber bei einigen musste auch ich nachschauen. Vor allem die Karte Im Besitz von mindestens 3 verschiedenen Waren. kann leicht missverstanden werden.
Etwas finde ich aber trotzdem schade und teilweise irreführend. Das Geld wird in der Spielanleitung immer nur mit Münzen bezeichnet, zum Einen kommt dadurch in meinen Augen weniger Stimmung auf, zum Anderen entstehen dann Sätze wie im Beispiel zu Kaufleute beeinflussen (Seite 6): Sie legt alle 3 Waren zurück in den Vorrat und nimmt sich dafür insgesamt 12 Münzen. In der eigentlichen Spielregel ist es dann korrekt formuliert: ...die Waren in den allgemeinen Vorrat zurück und erhält dafür den aufgedruckten Wert in Münzen aus dem Vorrat.
Die Spielregeln sind einfach zu verstehen, sie aber im Spiel so umzusetzen, dass möglichst viele Prestigepunkte für einen selbst herauskommen dagegen nicht. Die Gebote in der Aktionsphase sind entscheidend; ist man zu geizig, bleibt einem nur das Zuschauen, verschwendet man sie dagegen, fehlen sie in weiteren Runden. Gewinnen kann nur, wer möglichst viele Familienmitglieder an den richtigen Stellen im Stadtgebiet und am besten auch noch seine Auftragskarten erfüllt hat.
Immer wieder gibt es Entscheidungen zu fällen: Wie viel Einflusspunktkarten soll man nehmen? Bei welchem Schritt soll man mit bieten? Ein Platz im Adel oder Klerus ist gut, denn dann kann man den Standort der Kapelle oder des Gebäudes selbst bestimmen. Aber Plätze in der Zunft sind auch erstrebenswert. Schließlich geht es hier neben einem Platz im Rat um Waren und Familienmitglieder im Stadtgebiet. Aber ein Platz in einer Zunft kostet Geld. Dieses kann man nur bekommen, wenn man in einer "Kaufmannrunde" der Höchstbietende ist. Aber dazu braucht man wiederum Waren, was schließlich soll man sonst verkaufen?
Eigentlich hat man immer von allem zu wenig: zu wenig Karten, zu wenig Waren, zu wenig Geld. Hilfreich ist es hier, wenn man seine Mitspieler beobachtet. Welche Pläne haben sie? Wie oft können sie in dieser Runde bieten?
Wenn man Strasbourg spielt, ist man nicht ganz unabhängig vom Glück. Welche Auftragskarten man zieht und die Reihenfolge der Einflusskarten auf dem eigenen Stapel bestimmt immer noch der Zufall. Und auch ein Erfolg in der Bietphase lässt sich nicht wirklich planen.
Anfangs mochte ich Strasbourg nicht so, aber mittlerweile hat sich das geändert. Es gibt kaum Leerlauf, jeder ist jederzeit gefordert, und sei es mit der Frage Mitbieten oder nicht. Strasbourg ist spannend, da man meist bis zu Schluss nicht weiß, ob sich wirklich alle eigenen Auftragskarten erfüllen lassen. Manchmal ist Strasbourg einfach zu schnell vorbei, obwohl es doch wieder mehr als 60 Minuten waren.
Vielen Dank an Pegasus Spiele für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplars.
Spiel: Strasbourg
Autor: Stefan Feld
Illustration: Alexander Jung
Verlag: Pegasus Spiele
Anzahl: 3-5 Personen
Alter: ab 12 Jahre
Dauer: ca. 60-90 Minuten
Jahr: 2011
Preis: ca. 29,00 Euro (Stand 10.07.2011)